In den „Minifiktionen“ von Nora Zapf geht es um dieselbe Figur, die in jeder Erzählung auftaucht, in anderer Gestalt und Umgebung. Eine schwangere Androidin, Volleyball spielende Gedankenblitze und Prothesenbeine sind alltäglich in dieser überfluteten Stadt, in der das Wichtigste vergessen wird und riesige Pilze anstelle von Bushaltestellen wachsen. Das Sehen ist ein anderes, wenn es umprogrammiert ist. Sieht der Teich anders aus, die Enten gruppieren sich neu auf dem kalten Stein. Die Drachen flattern höher. Der Versuch einer neuen Münchner Fantastik aus dem Jahr 2050.
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Als Frau Treuherz, die Klavierlehrerin, vor dem Laden des Geflügelhändlers den weissen Enterich erblickt, muss sie nicht überlegen: Dieser Vogel heisst Ellington. Und weil er sie so anschaut und sie seinen Namen kennt, kauft sie Ellington und trägt ihn heim. Sie kommen gut miteinander aus, die Klavierlehrerin blüht auf und ihre Schüler finden den Enterich bemerkenswert. Doch der sehnt sich bald nach frischem Wind in den Federn, und so legt sie ihn an die Leine und macht mit ihm Ausflüge zum Teich, wo er mit den anderen Enten schwimmt. Weil es immer schwieriger wird, Ellington abends aus dem Wasser zu ziehen, stellt Frau Treuherz die Ausflüge ein. Er ist ein Häufchen Unglück, sie ist ratlos. Doch dann geschieht etwas im Leben der Klavierlehrerin, das sie und Ellington auf einen Schlag befreit.
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Mathias ist sechs Jahre alt. Bald wird er in die Schule gehen. Er wohnt in der Siedlung bei seiner Mutter, Oma und Opa, die er alle sehr liebt. Weihnachten ist schon ganz nah; es schneit, und Schnee ist fast noch gemütlicher als Regen. Nur hört man leider nichts, wenn es schneit, da ist dann wieder Regen besser. Mathias ist zehn Jahre alt. Die grossen Ferien wird er bei Oma Emmi auf dem Land verbringen. Die Kinder dort wachsen ganz anders auf, man kann dort viel Spass haben. Seine Mutter riecht den Braten: sie gönnt ihm die Freude nicht. Da kann sie noch so oft behaupten, Mathias sei ihr Verbündeter. Mathias ist vierzehn Jahre alt. Seine Mutter ist mit ihm ins Hochhaus gezogen und hat Oma in ihrem Elend alleingelassen. Opa ist im Heim, noch so ein Verrat. Doch Mathias ahnt: im Grunde genommen trägt er die Verantwortung für Mutters Lage, obwohl er natürlich auch nichts dafür kann. Wer kann schon etwas für sein.
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